Integration einer automatisierten berührungslosen 3D-Prüfung für geschweißte Kranstrukturen
von Rodrigo Alfaia, Associate Director Laser Tracker, Hexagons Manufacturing Intelligence Division

Engineering Reality 2024 volume 1
Accelerate Smart Manufacturing
Um die Produktion effizient zu erhöhen und dabei gleichzeitig Kosten einzusparen, investierte die Vlassenroot-Gruppe in eine Shop-Floor Messlösung, die auf der Laser Tracker-Technologie mit direktem Scanning von Hexagon basiert
Die Vlassenroot-Gruppe hat Produktionstandorte in Belgien, Deutschland und Polen und ist ein führender Anbieter von komplexen Stahlkonstruktionen und -komponenten. Ihre Kompetenzen liegen im Schneiden und Biegen sowie im Schweißen, Bearbeiten, Montieren und Lackieren von modernen Stahlbauteilen für verschiedene Industriezweige wie wie Hebezeuge, Schienenfahrzeuge und Energie. Ursprünglich belieferte das Familienunternehmen vor allem die Kranindustrie mit gebogenen Halbschalen. Inzwischen liefert es auch komplett geschweißte Teleskopausleger, Fahrgestelle und Drehteller je nach Kundenwunsch.
Insbesondere die Produktion von Teleskopauslegern birgt für Vlassenroot große Herausforderungen. Ausleger mit einer Länge von bis zu 16 Metern müssen nahtlos ineinander greifen, um den hohen Anforderungen der Kranhersteller an elastisches Verhalten sowie Tragfähigkeit des Teleskops zu entsprechen.
Um den Produktionsdurchsatz zu erhöhen und die Taktzeiten zu verkürzen, beauftragte das deutsche Werk von Vlassenroot ARGON Measuring Solutions mit der Ausarbeitung einer zuverlässigen 3D-Prüflösung als künftig fester Bestandteil des Fertigungsprozesses.
Die von ARGON vorgeschlagene Lösung basiert auf dem Leica Absolute Tracker ATS600, einem direktscannenden Laser Tracker von Hexagons Geschäftsbereich Manufacturing Intelligence, der auf einem Mess-Trolley montiert wird. Hierfür dient ein elektrischer Standard-Palettenstapler, der für Messzwecke aufgerüstet wurde.
Produktion von Auslegern stellt Hersteller vor große Herausforderungen
Die Produktion von langen Teleskopauslegern für die mobile Kranindustrie durchläuft verschiedene Phasen. Hauptbestandteile sind Halbschalen aus Stahl, die aus dem belgischen Werk in Brüssel kommen und durch Hybridschweißen zu einem einzigen Rohr zusammengefügt werden. Dieses Rohr bildet eines der Elemente des Teleskopauslegers.
„Obwohl unsere Schweißer Experten auf ihrem Gebiet sind, wollten wir die Inspektionsroutine verstärken und sie weniger abhängig von der Genauigkeit der einzelnen Bediener machen“, erklärt Philippe Dudzik, Industrial Director bei Vlassenroot. Zu den Details, die genau überprüft werden müssen, gehören die Qualität der Schweißnaht und der Einfluss der induzierten Wärme auf die Materialverformungen.
„Was zu diese Materialverformungseffekte führt, ist noch nicht im Detail geklärt. Das heißt, es ist unklar, welche Parameter in den vorangegangenen Produktionsschritten den Grad der Materialverformung beeinflussen“, erklärt Dudzik. „Mithilfe digitaler Daten, die wir nun vom ATS600 über mehrere Produktionsschritte hinweg erhalten, lassen sich wichtige Parameter definieren, um Verformungen am Ausleger entgegenzuwirken.“
Bei der Herstellung großer Stahlteile entstehen Staub und Vibrationen. Die die Produktionsanlagen im Werk von Vlassenroot müssen deshalb den rauhen Umgebungsbedingungen in der Fertigung standhalten.
Anschließend wird der Ausleger in der Aufrichtmaschine befestigt und mit Hilfe eines hydraulischen Stellantriebs bis zu einem von der gemessenen Abweichung abhängigen Grad der plastischen Verformung aufgerichtet.
„Dieser ganze Prozess erfordert viel Zeit und Erfahrung von unseren Mitarbeitern“, sagt Dudzik. „Durch die Einführung eines Qualitätsprozesses mit genau definierten Qualitätsanforderungen werden Ausleger erkannt, die den Aufrichtprozess nicht durchlaufen müssen. Bei allen anderen wissen wir sofort, wo wir korrigieren müssen. Das spart uns Zeit und Geld. Und indem wir schneller und zuverlässiger messen, können wir die Ursachen der Abweichungen besser verstehen und sie somit besser vorhersehen und vermeiden.“
Einbau von Qualitätskontrollen zur Effizienzsteigerung
Gemeinsam mit ARGON hat Vlassenroot mehrere Qualitätskontrollen während des Produktionsprozesses eingerichtet. Auf dieser Grundlage entwickelte ARGON eine schlüsselfertige Lösung für Vlassenroot mit einem direkt scannenden Leica Absolute Tracker ATS600, der auf einem ARGON-Mess-Trolley montiert wurde.
In der Vergangenheit war die Kontrolle von Abweichungen am Ausleger eine rein manuelle Aufgabe - mit Lehren und Messschiebern erfasste ein erfahrener Mitarbeiter die Formabweichungen entlang des Auslegers.
Durch zusätzliche Qualitätschecks will Vlassenroot die Anzahl der aufzurichtenden Ausleger drastisch reduzieren. Die Prüfung der Qualität der beiden Halbschalen – der Basis für alle Ausleger – stellt die erste Stufe der Qualitätskontrolle dar. Am Fertigungsstandort wurde räumlich ein neuer Bereich zur Durchführung von Messverfahren für Ausleger in verschiedenen Produktionsschritten eingerichtet.
Hier kann der auf einem Trolley montierte ATS600 nach Bedarf flexibel entsprechend der jeweiligen Größe der Bauteile positioniert werden.
In einer zweiten Stufe der Qualitätskontrolle wird der geschweißte Ausleger dahingehend überprüft, ob der Schweißprozess das Material beeinflusst und ob die Hitze Verformungen verursacht hat, die zu den zuvor erwähnten Materialverformungen beigetragen haben.
Mit dem auf einem Messwagen montierten Laser Tracker ATS600 schuf ARGON für Vlassenroot eine äußerst mobile Werkstattlösung.
Vlassenroot ist auf die Herstellung von Teleskopkranauslegern mit einer Länge von bis zu 16 Metern spezialisiert. Bild: ©Argon
Die dritte Stufe der Qualitätskontrolle wurde unmittelbar vor dem Aufrichtvorgang eingebaut. „Meine Absicht war es, unmittelbar vor dem Aufrichten die Messergebnisse in einer Farbkarte zu erhalten, die alle Verformungen mit detaillierten Daten anzeigt“, sagt Dudzik. „Anhand dieser Daten können wir dann Vorrichtungen entwerfen, um Verformungen während des Schweißprozesses zu vermeiden.“
Nach dem Aufrichten erfolgen Endmontage und Lackierung. Hier prüft der ATS600 in einer vierten Qualitätskontrolle Merkmale wie die Position der angebrachten Sperrscheibe und der hydraulischen Tragbolzen.
Dudzik und sein Team blicken bereits einen Schritt weiter in die Zukunft: „Wir planen, weitere Qualitätskontrollen zu installieren und Wege zu finden, die gesammelten Daten zu verwerten. Nach der Prüfung der Halbschalen können wir diese Daten mit dem belgischen Werk teilen, so dass dort die Biegemaschinen angepasst und die Ausleger präziser produzieren werden können.
Eine solche Investition direkt in der Fertigungsumgebung mit dem ATS600 läßt sich durch die Steigerung der „First-Time-Right“-Produktion und die Vermeidung von Nacharbeit eindeutig rechtfertigen.“
Der Bedarf an robuster, aber mobiler Messung
Gemeinsam mit ARGON begann Vlassenroot die benötigten Anforderung seines Prozesses an ein neues Messystem zu spezifizieren, das vor allem robust genug sein sollte, um problemlos direkt in der Fertigungsumgebung eingesetzt werden zu können. „In unseren Anlagen haben wir mit Staub und Vibrationen zu kämpfen“, erklärt Dudzik. „Wir hatten unsere Zweifel, ob wir ein Gerät finden würden, das mit dieser Umgebung zurechtkommt.“
Bei der Evaluierung anderer Technologien, die in der Fertigung eingesetzt werden können, wurden teils inakzeptable Einschränkungen festgestellt, wie z. B. ein zeitintensiver Einrichtungsprozess oder eine zeitaufwändige Mess- und Nachbearbeitungszeit von bis zu 90 Minuten für einen einzigen Ausleger. Mit dem Leica Absolute Tracker ATS600 fand Vlassenroot eine Lösung, die nicht nur den rauen Umgebungsbedingungen standhält, sondern sich auch flexibel einrichten lässt und schnell verwertbare Ergebnisse liefert.
Im direkten Vergleich dauern die Messungen mit der neuen ATS600-basierten Fertigunglösung einfach viel schneller, wobei die Prüfzeit um bis zu 80 Prozent reduziert wurde, und das ohne Messfehler. „Die Resultate sind hervorragend“, sagt Dudzik. „Und das alles bei minimalem Schulungsaufwand.“

